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Die Moritzkapelle
in Nürnberg

Moritzkapelle

Moritzkapelle 1705 (Stich von Johann Georg Gruber)

 
 

Lage der Moritzkapelle Drei Gotteshäuser scharten sich im Mittelalter um St. Sebald: die Dominikanerkirche (im Bild rechts oben), die Augustinerkirche (im Bild links unten) und die St. Moritzkirche (im Bild mit Pfeil). Ursprünglich stand die Kapelle St. Moritz auf dem Hauptmarkt (verschiedene Chroniken und Schriften sind sich leider nicht einig, wo genau). Kluge und weise Bürger Nürnbergs baten den Bamberger Bischof Wulfing von Stubenberg in einem Schreiben vom 6. September 1313, dass die Moritzkapelle (capella sancti Mauricii) vom Hauptmarkt auf den Friedhof der Pfarrkirche St. Sebald, im Judenviertel gelegen, verlegt werden dürfe. Als Grund gaben sie an, dass dort dauernd weltliche Geschäfte entgegen den heiligen Anordnungen ausgeführt würden und dies sich mit der Kapelle ändern solle. Finanziert wurde der Neubau der Kapelle von Eberhard Mendel.

Im Inneren gab es zwei von Eberhard Mendel gestiftete Altäre, einer war dem Heiligen Mauritium, einer Wenzel geweiht, außerdem befand sich dort noch ein Marienaltar. Solche Stiftungen schlossen auch die Pfünde (meist voller Unterhalt und Wohnung) für einen "Altaristen" oder "Vicarier" ein. Diese Geistlichen zählten nicht zu den Predigern und Seelsorgern einer Pfarrei, sondern lebten vom Lesen der Privat- und Seelmessen. So wurde z. B. täglich von so einem "Altaristen" am Mauritiusaltar die Frühmesse gelesen (geht auf die Stifter Menzel zurück) und auch der Wenzelsaltar bekam 1360 eine Messe (durch den Stifter Seyboth Ruff). Ein kleines Örgelein stiftete Marquard Mendel anno 1430.

Der Kirchenpatron Mauitius oder Moritz war ein dunkelhäutiger Märtyrer aus dem Nilland und kommt hier bei uns eigentlich nur selten vor, ebenso wie der Kirchenpatron des zweiten Altars: Wenzel. Auf der Nordseite befand sich ein großes Wandgemälde mit Szenen aus dem Leben Kaiser Wenzels. Der Sohn Kars IV wurde 1362 als langersehnter Thronerbe auf der Nürnberger Burg geboren und in der Sebalduskirche getauft.

Kirchweih hatte die Moritzkapelle am Sonntag nach Galli und am Tag der zehntausend Jungfrauen. Reliquien der beiden Heiligen sollen sich in der Kapelle befunden haben. Fünf Festtage wurden jährlich hier gefeiert (zum Vergleich dazu: 170 in St. Sebald). 1353 und 1380 gab es außerdem pästliche Ablässe zu gewinnen, im 15. Jh. wurden hier (errichtet 1394 von drei Frauen) die Aussätzigen drei Tage in der Karwoche gespeist (und es wurden ihnen Messen gelesen). Die Almosen dafür wurden erbettelt.

In den Kirchen gab es aufgrund von Stiftungen sog. "Immerlichter", d. h. es wurde dafür gesorgt, dass diese Lichter immer brannten. Unter anderem war in der Moritzkapelle in dem Eckpfeiler zum Pfarrhaus hin ein Gitter ins Freie eingebaut, um so ein "ewig ymerlicht" aufzunehmen.

Der gutunterrichtete und kritische Müllner schreibt 1623 rückblickend: "In Sterbsläuften hat man pflegen in diese Kapell ein große Gruben zu machen, darein viel Leut begraben worden." Frühere Quellen berichteten auch davon und Roth präzisiert: "In Sterbsläuften 1379, 1382 und 1407 hat man sehr viele Leute in dieser Kapelle in eine Grube zusammen gelegt und verscharret".

Sinnvoller wurde der Dachboden genutzt. Durch Stiftungen (die aus Höfen und Feldern in der Umgebung Nürnbergs bestanden) erhielt die Sebalduskirche Roggen, Hafer und Weizen, der bis zum Eigenverbrauch oder Verkauf im Speicherboden der Moritzkapelle gelagert wurde (der große Boden der Sebalduskirche scheint leer geblieben zu sein).

Mit der langsam eingeführten Reformation 1523 verloren viele Stiftungen für Messen ihre Bedeutung und auch die reformierten ("deutschen") Messen wurden eingeschränkt und die Überzahl der Geistlichen eingeschränkt. Statt dessen wurde der Gemeindegottesdienst gefördert. Das bedeutete das Aus für die Moritzkirche, die ja von diesen Messen gelebt hatte.

Der Rat hatte 1520 auch endgültig alle Begräbnisse innerhalb der Stadtmauern verboten und ließ den bisherigen Sebalder Friedhof zum Weinmarkt pflastern. Allerdings wurde schon drei Monate später wegen der Geräuschbelastung die die Hufe der Pferde auf dem Pflaster auslösten, ein Fahr- und Reitverbot während der Gottesdienste erlassen. Auf dem Weinmarkt, der sich nach 1526 auch auf den Platz des einstigen Friedhofs ausgedehnt hatte, wurde ganz genau bestimmt, wo welcher Wein verkauft wurde: Rings um St. Sebald (unter Freilassung der Kirchentüren!) "Neckerwein, Bergstrasser und Miltenberger... gegen Sant Moritzen Kirchen uff den Kirchhof gestellt werden", die übrigen Weinsorten folgten dann die Winklerstraße hinunter bis zum Trödelmarkt. Neue Vorschriften wurden vom Rat 1576 gegen Hinterziehen des Ungelds (der Getränkesteuer) erlassen.

1604 musste das baufällige Dach ausgebessert werden, die früheren Hohlziegel wurden durch Vorformen der heutigen Biberschwänze ersetzt. Dieser Austausch begann im 16. Jh und war 1945 noch immer nicht ganz abgeschlossen.

Regen Zulauf erfuhr die Kapelle sicher auch im 1618 ausbrechenden Dreißigjährigen Krieg.
Doch die Kapelle erfuhr auch wieder bessere Zeiten. Im Sinne eines stärker belehrend-erklärenden Gottesdienstes vor allem für Jugendliche wurde 1626 eine allgemeine öffentliche Kinderlehre eingerichtet. Jeden Sonntag um 1 Uhr mittags fand sie in sieben kleineren Kirchen statt, unter anderem auch in der Moritzkapelle, die dafür extra wieder in Gebrauch genommen wurde. Diese Kinderlehren wurden noch 1761 durch Würfel erwähnt.

Die nächste Erwähnung fand die Moritzkapelle erst wieder am 27. Oktober 1804, da der Untergang der Reichsstadt kurz bevor stand. Die städtische Rentkammer des Bauamtes bat um eine Schätzung, da sich ein Kaufliebhaber gemeldet habe. Der veranschlagte Wert war 1200 fl. Aber erst am 7. August 1806, sechs Wochen, bevor die Reichsstadt von Bayern geschluckt wurde wurde das Bauamt von der Rentkammer angewiesen, unverzüglich den Verkauf auszuschreiben. Die Zustimmung des Rates erfolgte am 12. August 1806. Durch Ansprüche Hans Christoph Joachim Haller von Hallersteins (unter anderm auf die Glocke, die gemalten Fenster, die Altäre und das Ölberggitter) und dem recht hohen geforderten Preis von 1500 fl, verzögerte sich ein Verkauf, bis der nun anwesende bayerische General-Landes-Commissair Graf v. Thürheim sich gegen jede Veräußerung von Staatseigentum aussprach. Am 15. September 1806 wurde die Stadt dann an Bayern übergeben.

Die neuen Herren begannen sofort mit einem rücksichtslosen Ausverkauf Nürnberger Kunstwerke, verschiedene Kirchenbauten wurden entweder auf Abbruch verkauft (Barfüßerkirche 1807, Dominiknerkirche 1807, Augustinerkirche 1816) oder vom Staat abgerissen (St.-Annen-Kapelle 1806, Karmeliterkirche 1817). Die Moritzkapelle blieb hingegen verschont, diente aber 1809 nur als Heulager für die Armee, danach als Holzmagazin.

Als die Stadt ihre innere Selbstverwaltung zurück erhielt, betrieb der Magistrat 1819 nochmals den Verkauf der Kapelle und "eine Verschoenerung des dortigen Platzes" durch ein "geschmackvolles Wohnhaus", unter Zustimmung der Gemeindebevollmächtigten. Zufall und schlechte Wirtschaftslage verhinderte auch diesmal einen Verkauf der Kapelle.

anklicken zum Vergrößern! 1828 hielt sich der bayerische König Ludwig I. in Nürnberg auf und bestimmte, dass eine staatliche Gemäldegalerie der altdeutschen Schule in Nürnberg gegründet werden sollte (siehe Bild links - anklicken zum Vergrößern!). Als Ausstellungsort suchte er sich die Moritzkapelle aus. Karl Alexander Heideloff restaurierte die Kapelle für 5330 fl. und 1829 konnte der "königliche Bildersaal" eröffnet werden. Öffnungszeiten für unentgeltlichen Besuch waren jeden Mittwoch und Sonntag von 11 bis 1 Uhr, außerhalb dieser Zeit mit 12 Kreuzer Eintritt, Kinder und Hunde wurden in jedem Fall abgewiesen. Das Museum bestand mehr als fünfzig Jahre lang.

Aber auch äußerlich hatte sich die Moritzkapelle in dieser Zeit verändert: die angebauten Ladenbuden, die im Mittelalter an die Kapelle auf der Süd- und Westseite angebaut worden waren, waren entfernt worden (Die Buden sind auf dem Bild ganz oben dargestellt, links von der Kirche die Bratwurstküche "Bratwurstglöcklein", die nicht entfernt wurde, sondern bis zur Zerstörung dort blieb). Der Gibel war von Heideloff wieder in makelloser Regelmäßigkeit bis zur Spitze aufgebaut worden, alles hatte einen frischen Anstrich (oder Putz?), vermutlich steingrau, mit aufgemalter Quaderung erhalten, das seit langem verbaute Hauptportal an der Giebelseite war neu entworfen worden.

Probleme gab es 1875 mit dem an der Nordseite der Moritzkapelle angebauten Bratwurstglöcklein, es brannte teilweise aus, wobei auch das Kapellendach leichte Beschädigungen erlitt. Ebenfalls gab es mit der Bratwurstküche noch Probleme, meist wegen insgemeimer Aushöhlung und Schwächung der Kapellenwand.

1861 schlug Hans von Aufseß seinem Gönner Ludwig I. vor, die in der Moritzkapelle befindlichen Gemälde unter Eigentumsvorbehalt in das 1852 gegründete Germanische Nationalmusemu bringen zu lassen. Dies wurde zunächst abgelehnt, 1882 gelang dies aber August von Essenwein.

Ab März 1882 stand die Moritzkapelle also wieder zur Verfügung. Es wurde um die Nutzung gerungen: Kommerzielle Interessenten mit einem Höchstgebot von 1500 Mark oder die religiöse Nutzung durch den Nürnberger Dekan Dr. Hartmann, der die Kapelle für Bibelstunden beanspruchte (Gebot 500 Mark). Im Ende belebten nun neben Bibelstunden Dienstags abends auch weitere christliche Veranstaltungen die Kapelle.

Die getünchten Wände wurden mit stoffbespannten Holzverschalungen verkleidet, die erst 1902 wieder entfernt wurden. Unter der Tünche entdeckte man gotische Wandmalereien. Am 9. Januar 1903 wurde eine Gesamt-Restaurierung beantragt und am 10. Juni 1903 vom Staatsministerium des Inneren genehmigt. Die Kosten (geschätzt 48.000 Mark) mussten aus freiwilligen Gaben aufgebracht werden. Jean Thäter sammelte sehr eifrig und konnte bereits Ende 1903 8300 Mark abliefern. 1908 konnte man mit den Arbeiten am Außenbau beginnen.

Das Vorhaben stand unter der Leitung des Kirchenbaumeisters Professor Josef Schmitz. Er ließ alle Ergänzungen Heideloffs wieder abbrechen, alle Bauteile wurden möglichst in der ursprünglichen Form erneuert.

Das Geld wurde knapp und 1912 musste eine Pause eingelegt werden, die bis 1924 dauerte. Jetzt übernahm die Stadt die gesamten denkmalpflegerischen Kosten von 26.000 RM. Am 20. September 1925 konnte man Einweihung feiern. Die Presse schrieb vom "neuen Gemeindesaal" und es wurden hier sehr viele, vorwiegend christliche Veranstaltungen und Vereinigungssitzungen, aber auch musikalische Abende (Bach-Abend) statt.

Zunächst wurde die Moritzkapelle mit einem Kohleofen geheizt, 1925 folgte ein unterirdisch aufgestellter Warmluftofen. Dieser trug zur Verrußung der Wandgemälde bei. Es wurde eine elektrische Heizung gefordert. 1937 forderte die Kirchenverwaltung St. Sebald eine Erneuerung der Kapelle an Wänden und Fußboden.

Während des Krieges wurde das Vorhaben weitergeplant und ausgeführt. Der Chor wurde um zwei Stufen höher gelegt, 1940 wurde eine Orgel bestellt. Die fertige Orgel wurde im Dezember 1941 eingeweiht.

Am 3. Oktober 1944, einem grauen, trüben Herbsttag um 10:53 Uhr gab es Fliegeralarm. Eine der schweren Sprengbomben traf die Moritzkapelle und zerstörte sie vollständig. Sie wurde nicht wieder aufgebaut. An dem heute freien Platz sind die Umrisse der Moritzkapelle am Boden markiert.
Übrig blieb nur ein Trümmerhaufen und ein vorher vorsorglich von den Altstadtfreunden gemachter Gipsabdruck der Statue des wissenden zukunftskundigen Propheten, die sich jetzt im Archiv des Germanischen Nationalmuseums befindet. Ein Teil eines der Teppiche der Familie Stark, die im 17./18. Jh. in der Moritzkapelle hingen, soll sich in den Kunstsammlungen auf der Harburg befinden. Die Glocke, die während des Krieges vorsorglich auf den Turm der Johanneskirche gebracht worden war, ist, obwohl es dort keinen Schaden gegeben hat, verschwunden.

Verschiedene Quellen, u. a. ein Artikel aus "Nürnberger Altstadtberichte" Nr. 17 von 1992 der Altstadtfreunde Nürnberg: "Die Moritzkapelle oder: das Loch im Stadtbild" von Dr. Erich Mulzer

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